AG Stolpersteine

Für jeden Menschen, für den ein Stolperstein verlegt werden soll, weil er oder sie durch die Nazis verfolgt, gedemütigt, entrechtet, getötet wurde, muss zunächst Folgendes erarbeitet werden:

  1. Eine Kurzbiografie mit genauen Quellenangaben gegen alle Zweifel,
  2. Die letzte frei gewählte Wohnadresse,
  3. Die genaue Inschrift für den Stolperstein,
  4. Möglichst ein Kontakt zu Angehörigen des NS-Opfers und deren Einwilligung für diese öffentliche Verlegung,
  5. Die Deckung der Kosten für Herstellung und Verlegung.

Um diese fünf Punkte kümmert sich die AG Stolpersteine für Verfolgte des NS-Regimes, deren letzte frei gewählte Wohnung auf unserem Kirchgemeindegebiet lag. Dazu recherchieren wir in Kirchenbüchern, in Bibliotheken, im Internet und sprechen mit Zeitzeugen. Oft braucht es lange, ehe man Spuren des Lebens findet, von dem man wenig mehr als das Deportations- und Todesdatum kennt.

Erst, wenn diese Vorarbeiten auf gutem Wege sind, kann die Verlegung des Stolpersteins ins Rollen kommen. Dafür halten wir Kontakt zu dem Verein „Stolpersteine für Dresden e. V.“ (http://stolpersteine-dresden.de/verein/) Dieser organisiert die Herstellung und die Verlegung in Dresden aller 1 bis 2 Jahre.

Dazu gehört

  • Die Bestellung der Stolpersteine bei Gunter Demnig und eine Terminvereinbarung mit ihm für die Verlegung,
  • Absprachen mit dem Dresdner Tiefbauamt über die Arbeiten am jeweiligen Gehweg,
  • Die Organisation des Ablaufs am geplanten Termin:

    • Erarbeiten der Route für das technische Team mit dem Künstler, die etwa eine halbe Stunde je Verlegeort zu tun haben,
    • Zusammenstellen von zwei Teams, welche die etwa einstündigen Gedenkfeiern bei den Verlegungen begleiten,
    • Organisation eine kleine Musikgruppe je Team, Tontechnik für Musik und RednerInnen, Blumen zum Schmücken der Gedenkstätten.
  • Oft sind es so viele Stolpersteine, dass ein Tag nicht ausreicht. Für den Abend des letzten Tages wird eine Gedenkveranstaltung vorbereitet, wo all der Menschen noch einmal gedacht wird, wo Fotos und Lebensdaten in einer Diashow gezeigt und wo durch die Angehörigen der Opfer oder die Initiatoren der Stolpersteine sehr berührende Erinnerungen ausgetauscht werden.

Fahrt nach Theresienstadt im April 2023

Drei der Stolpersteine, welche wir bisher verlegen ließen, waren für Blasewitzer NachbarInnen, die in Theresienstadt ums Leben gekommen sind. Auf ihre Totenscheine stießen wir bei den Recherchen in der tschechischen Holocaust-Datenbank (https://www.holocaust.cz/de/main-3/).

Am Wochenende 22./23. April 2023 fuhr eine Gruppe von 10 Leuten in das heutige Terezín, um Spuren zu suchen und Eindrücke zu gewinnen, wie die letzten Tage dieser Menschen verlaufen waren.

Theresienstadt war ein altes österreichisches Garnisonstädtchen, erbaut gegen preußische Angriffe, ohne je angegriffen worden zu sein. Im Sumpfgebiet der Egermündung teilt der Fluss den Ort in die kleine und die große Festung, beide mit beeindruckenden Mauern. Die kleine diente von alters her als Gefängnis, die große wurde ab November 1941 zum Sammel- und Durchgangslager für tschechische Juden sowie alte und prominente Juden aus Deutschland, Österreich und Ungarn.

Als „jüdische Mustersiedlung“ wurde Theresienstadt 1944/45 für das Ausland in einem Propagandafilm präsentiert, von dem wir Teile zu sehen bekamen. Der komplette Film ist nicht mehr vorhanden. Er wurde bei Kriegsende vernichtet – wie schon gleich nach Drehschluss die Menschen, die man dafür benutzt hatte als Schauspieler, Komparsen und Filmleute. Stellvertretend für alle sei hier der Regisseur Kurt Gerron genannt.

Wir sahen die Räume, in denen die Bewohner zusammengepfercht waren unter lebensverachtenden hygienischen Bedingungen, sahen die Begräbnisstätten, die Zeremonienräume für die Trauerfeiern und das Kolumbarium. Wir sahen aber auch die heimliche Synagoge und in den Museen unzählige Zeichnungen von Künstlern und von Kindern, die neben dem bedrückenden Ghetto-Leben auch Träume von glücklicheren Tagen zeigten.

In frühlingshaftem Grün wanderten wir zum Krematorium – welche Gegensätze!

Mit bewundernswertem Mut füllen heute wieder über 3000 Menschen die Stadt mit Leben. In der „Magdeburger Kaserne“ arbeitet ein Freiwilligenbüro der Pädagogischen Abteilung der Gedenkstätte Theresienstadt (jugendbegegnung.de), das von jährlich wechselnden Freiwilligen aus dem Verein GEDENKDIENST bzw. der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) betreut wird. Hier kann man wegen Unterkunft und Betreuung anfragen. Aber auch im nahen Litoměřice (Leitmeritz) und in Libochovice, wo wir übernachteten, kann man Quartier finden.

Das überlegten wir auf dem Rückweg: Würden Sie/würdest Du einmal ein Wochenende lang in kleiner Gruppe solch eine Gedenkfahrt mitmachen wollen?

Bericht: Brigitte Lange

STOLPERSTEINE für Alexander Jacoby an der Goetheallee 14b und Henriette und Viktor Bodländer an der Kyffhäuser Straße 15

Am 23. September 2022 wurden Stolpersteine für Alexander Jacoby sowie für das Ehepaar Bodländer verlegt.
In der Gotheallee 14b hielt seit dem 22. Juli 2021 ein Blindstein einen Platz für Alexander Jacoby, dem jüngsten Sohn der Familie frei. Er starb 1942 an einer Lungenentzündung. So entging er zwar der Deportation, aber gedemütigt und zwangsenteignet wurde auch er. Prof. Klemperer beschrieb zudem die ärztliche Behandlung als höchst oberflächlich! Ein jüdisches Menschenleben galt damals nicht viel. Das Buch von Jrene Brann „Fremdes beseelt“ zeigt ihren Onkel Alexander beim Taubenfüttern auf dem Neumarkt.

Viktor und Henriette Bodländer betrieben lange in Tarnowitz in Schlesien das väterliche Geschäft. Erst 1931 zogen sie hier in die Kyffhäuser Straße 15. Diesen Weg aus Tarnowitz über Breslau nach Dresden kann man in den historischen Adressbüchern nachverfolgen. Das Haus gehörte ihnen da schon über 10 Jahre, 1940 wurde es zum Judenhaus deklariert. Bodländers wurden wie Jenny Jacoby am 7./8. September 1942 nach Theresienstadt deportiert. Wenige Wochen später starben beide dort.

Bericht: Brigitte Lange

STOLPERSTEINE für Jenny und Johann Jacoby an der Goetheallee 14b

„Stolpersteine sollen auch bei uns an Menschen erinnern, die durch die Nazis gedemütigt, vertrieben und getötet wurden“ – so lautet der Auftrag des Kirchenvorstands an die „AG Stolpersteine“ unserer Kirchgemeinde. Am 22. Juli wurden „unsere“ ersten Stolpersteine an der Goetheallee 14 b verlegt. Wir danken allen, die zur Erforschung der Lebensgeschichten und zur Gestaltung der Gedenkfeier beigetragen haben. Die Beschäftigung mit der Familie Jacoby hat uns zwei Jahre lang begleitet. Den Beginn des Schicksalsjahres 1942 erlebten hier nur noch die Mutter Jenny Jacoby (1856-1942) und die unverheirateten Söhne Johann und Alexander. Über ihr Haus bestimmten schon seit 1940 die Nazis, die ihnen zwangsweise jüdische Familien einquartierten. Im Januar 1942 wurde Johann deportiert, im März erkrankte Alexander und starb. Im September 1942 musste Jenny erleben, wie all ihr Besitz beschlagnahmt wurde, ehe sie 86jährig nur mit Bettsack und Handköfferchen nach Theresienstadt deportiert wurde, wo sie kurz darauf starb.

Verlegt wurden bisher die Stolpersteine für Jenny und Johann Jacoby. Ein Blindstein daneben wartet, dass er im nächsten Jahr durch einen Stolperstein für Alexander Jacoby ersetzt wird, denn gedemütigt und entrechtet wurde auch er!
Die von Klezmer-Musik umrahmte Gedenkfeier beschloss Gil Zohar aus Jerusalem mit dem jüdischen Totengebet Kaddisch, einem großen Gotteslob.
Es endet mit den Worten:

Der in seinen Höhen Frieden stiftet, er schaffe auch uns und ganz Israel Frieden.

Bericht: Brigitte Lange

ZWISCHEN EMANZIPATION UND STOLPERSTEINEN

Die Geschichte einer deutschen jüdischen Familie

weitere Details

STOLPERSTEINE in Blasewitz

Im Juni 2019 gab es in Dresden-Blasewitz nur 3 Stolpersteine. So unterstützte der Kirchenvorstand den Vorschlag von Frau Lange, in den Kirchenbüchern nach Christen jüdischer Herkunft zu suchen. Zugleich erweiterte man jedoch den Auftrag: nicht nur Christen, sondern alle NS-Verfolgten in den Fokus zu nehmen, für die Stolpersteine auf dem Gemeindegebiet gelegt werden könnten.
Bis Ende 2019 hatte eine kleine Gruppe von Damen, welche die alte Schrift noch gut entziffern können, die Kirchenbücher von 1887 (Beginn der Blasewitzer/Striesener Bücher) bis 1945 vorsichtig durchgesehen. Es fanden sich etliche Täuflinge, Konfirmierte und Brautpaare, bei denen für ein Elternteil die Religion „mosaisch“ bzw. „israelitisch“ angegeben war.
Parallel beschäftigten wir uns mit der jüdischen Familie Jacoby. Sie waren Hofjuweliere und in ihrer Werkstatt mit dem Gründernamen „Elimeyer“ wurde die Taufschale der Heilig-Geist-Kirche gefertigt. Ihre Villa im Lothringer Weg 2 gehörte ab 1940 zu den „Judenhäusern“. Hier zogen die Nazis Familien zusammen, die nach ihren sog. Rassegesetzen „Juden“ waren – die Religion der Menschen war dabei gleichgültig.

Die Arbeitsgruppe Stolpersteine ist über ein eigenes Postfach für Hinweise, Anmerkungen und Fragen zu erreichen. Schicken Sie uns einfach eine kurze Nachricht.